Mutige Werbung in den 90ern

Werbespots in den 90ern waren vor allem eins: auffällig. Wir nehmen dich mit auf eine kleine, amüsante Zeitreise in die 90er und zeigen, was wir davon lernen können.

In der Vergangenheit hat sich herausgestellt, dass jedes Jahrzehnt von künstlerischen Stilelementen geprägt ist, die eigentlich auf 30 Jahre alte Motive und Elemente zurückzuführen sind. Dieser Generationenabstand scheint zumindest genau richtig zu sein, wenn man sich Kultfilme der jeweiligen Jahrzehnte genauer ansieht. So waren die 80er-Jahre voll von 50er-Nostalgie (siehe Zurück in die Zukunft). Die 2010er haben sich wiederum an den 80ern orientiert (Stranger Things und zig Remakes von 80er-Jahre-Klassikern). Und gegen Ende des letzten Jahrzehnts war bereits ein Paradigmenwechsel Richtung 90er-Jahre-Nostalgie zu erkennen. Dieser legt die Hypothese nahe, dass wir es in den nächsten 10 Jahren mit knalligen Farben und spitzwinkligen geometrischen Grafiken zu tun bekommen.

Werbung der 90er-Jahre: Paradigmenwechsel

Das Interessante daran ist, dass die bekannte 90er-Jahre-Stilistik mit ihren poppigen Farben und halbgaren Computeranimationen eher am Anfang der 90er angesiedelt waren. Als sich die 90er Jahre in Richtung Jahrtausendwende bewegten, war in der Werbung bereits ein enormer Wandel zu beobachten. Die konstruierten, geometrischen Farbedesigns in Popart-Farbgebung – übrigens ein Phänomen der 60er – wichen zunehmend einer futuristischen Aufmachung. Egal ob MatrixSixth SenseFight Club oder The Big Lebowski: Die Slacker-Kultur und der bevorstehende Wechsel in ein neues Jahrtausend sorgte für ein Aufkeimen einer fatalistischen und dystopischen Ideologie, die sich besonders kreativ in Filmen verbreiten ließ.

Die Zukunft war aus damaliger Sicht ungewiss. Angstmache vor dem Y2K-Milleniums-Virus, der sämtliche Computer lahmlegen würde, war an der Tagesordnung. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA beherrschten die Schlagzeilen und George Clooney stieg bei Emergency Room aus: Wer das immer noch traurig findet ist inzwischen alt – herzlichen Glückwunsch.

Werbung von lustig bis unheimlich

Werbung vs. Realität

Auch nicht vergessen sollten wir die Werbung für das „Brettspiel“ Crossfire aus dem Jahr 1992. Innerhalb von 30 Sekunden erzählt uns dieser Videoclip eine dystopische Endzeitgeschichte, in der sich Kinder in einer infernalen Mad Max-Donnerkuppel mitten in einem Gewitter gegenseitig mit Bleikugeln auf einem Spielbrett bekriegen – bis der Verlierer von göttlicher Hand rotierend in die ewige Dunkelheit katapultiert wird. Und das ganze natürlich auch zu besten Glam Metal-Tönen aus der E-Gitarren-Hölle. WTF.

Musik in der Werbung

Es ist vermutlich nicht überraschend, dass dieser Werbespot in der Hochphase der Cola-Kriege zwischen Coca-Cola und Pepsi entstand. Seitenhiebe im rechtlichen Rahmen waren dabei nicht nur ein absolutes Muss für den Vertrieb, sondern auch für die bipolar geschulten Fanlager, die sich bei jedem subtilen Seitenhieb in Richtung des jeweiligen Konkurrenten bei Watercooler-Gesprächen nur so das Maul zerreißen konnten.

Werbung heute

Allein bei diesen beiden Werbefilm-Beispielen ist schon deutlich zu erkennen, dass die Bandbreite der Werbung damals gigantisch war. Werbung konnte unheimlich sein, spaßig, trashig, romantisch, bunt oder schlicht. Auf jeden Fall ist sie aber aufgefallen – und war vor allen Dingen mutig. Wenn wir uns die Landschaft der Layouts heutzutage ansehen, dann wirkt unsere Herangehensweise geradezu konservativ, wenn wir betrachten, wie häufig die Unworte „schlicht“ und „clean“ in den ersten 2 Sätzen jedes CI-Handbuches auftauchen.

Werbung der Zukunft: ein Ausblick

Wenn wir also das nächste Jahrzehnt damit verbringen, uns an der Werbe-Stilistik der 90er-Jahre zu bedienen, dann sollten wir dabei nicht nur an poppige Farben denken und diese in unsere cleanen Layouts einarbeiten, sondern vor allem auch daran denken, wie mutig, kreativ und einzigartig die Werbung damals gewesen ist. Denn wenn man etwas über die Werbung von damals sagen kann, dann zumindest, dass sie aufgefallen ist.

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